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Telekosmos-Praktikum

Teil 1

• Title
• Heinz Richter
• Inhaltsverzeichnis
• Wichtige Hinweise
• Auswahl von Geräten
• Einleitung

A. Wir richten unser Experimentierlabor ein
B. Elektrotechnik, in Versuchen erlebt
C. Mit Halbleiterdioden auf du und du
D. Mit dem Transistor ist alles zu machen
Schlusswort
Anhang
I. Anwelsung zum Aufbau
II. Anleitung zum Prüfen und Reparieren von Einzelteilen

• Versuchsverzeichnis
• Stichwortverzeichnis
• Accessories
• Norm-Schaltzeichen nach DIN


IV. Halbleiter-Bauteile - Fundamente der Radiotechnik und Elektronik

Wir kennen nun die allerwichtigsten elektrotechnischen und magnetischen Grundlagen, die wir brauchen, um bei der ersten Bekanntschaft mit der Radiotechnik und Elektronik keine Schwierigkeiten zu bekommen. Haben wir uns den Inhalt der vorstehenden Seiten angeeignet, so werden uns die Versuche Freude machen und wir werden ihren Sinn leicht verstehen. Neben Widerständen, Kondensatoren, Induktivitäten und Transformatoren sind es zwei HalbleiterBauelemente, die bei den Versuchen benötigt werden und die wir immer wieder brauchen. Deshalb wollen wir uns zunaechst mit der Halbleiterdiode etwas naher beschaeftigen.

1. Halbleiterdioden - unscheinbar, aber bedeutungsvoll

Die Halbleiterdiode besteht aus einem Germanium- oder Siliziumkristall (beides sind chemische Elemente), auf den eine feine Drahtspitze drückt. Sowohl Kristall als auch Drahtspitze stehen sich einander gegenüber und sind in einem Roehrchen aus Glas oder einem anderen Isolierstoff gehaltert. Nach aussen sind die Anschlüsse des Kristalles und des Drahtes herausgeführt, das Roehrchen ist entweder luftleer gemacht oder luftdicht gegen die Aussenwelt abgeschlossen. Der soeben beschriebene Typ heisst wegen der spitzen Drahtfeder Spitzendiode. Es gibt auch sogenannte Flaechendioden, die aus zwei Halbleiterkristallen bestehen. Beide Kristalle sind außerordentlich eng miteinander verbunden und nur durch eine "Sperrschicht" getrennt. Sie unterscheiden sich in ihrer physikalischen bzw. chemischen Beschaffenheit voneinander; der eine Kristall enthält in winzigen Mengen Fremdstoffe, die Elektronen an den Halbleiter abzugeben vermögen, während der andere Kristall Fremdstoffe aufweist, die Elektronen aufzunehmen bestrebt sind. Im ersten Fall spricht man von Donatoren, im zweiten Fall von Akzeptoren. Das Zusetzen dieser Fremdstoffe nennt man "dotieren" bzw. "Dotierung". Diese unterschiedliche Beschaffenheit verleiht der so zustande kommenden Flaechendiode, aber auch der Spitzendiode Gleichrichtereigenschaften (bei der Spitzendiode bildet sich durch einen Formierprozess zwischen dem Halbleiterkristall und der Spitze eine duenne Zone des Stoffes aus, der Akzeptoren enthält, wenn der Kristall über Donatoren verfuegt oder umgekehrt). Die Sperrschicht heisst pn-Verbindung.

Die unterschiedlichen Eigenschaften der beiden Halbleiterzonen wirken sich nun folgendermassen aus: Legt man von aussen eine Spannung derart an die beiden Kristalle, daß der mit Donatoren behaftete Stoff, der sogenannte n-Halbleiter, negativ gegenüber dem mit Akzeptoren behafteten Halbleiter ist (p-Halbleiter), so werden vom n-Halbleiter aus Elektronen, vom p-Halbleiter aus Defektelektronen, auch Mangelelektronen genannt, zur Sperrschicht getrieben. Beide Arten sind Ladungsträger, deren Zusammentreffen zu einer Verminderung des Widerstandes der Sperrschicht führt. Infolgedessen stellt eine Halbleiterdiode in einer solchen Polung einen nur kleinen Widerstand dar. Polt man die Anschlüsse um, so vollzieht sich der umgekehrte Vorgang: die Ladungsträger werden von der Grenzschicht fortgetrieben, diese verarmt an Ladungsträgern, und der Widerstand der Einrichtung ist sehr gross. Im ersten Fall spricht man von der Durchlassrichtung, im zweiten Fall von der Sperrichtung. Im ersten Fall fliesst schon bei sehr kleinen Spannungen ein großer Strom, im zweiten Fall ist der Strom, der sogenannte Sperrstrom, auch bei größeren Spannungen noch winzig klein. Er hat seine Ursache darin, daß jeder p- bzw. n-Halbleiter neben den in großer Zahl vorkommenden Defektelektronen bzw. Elektronen, den jeweiligen "Majoritätsträgern", noch (in allerdings viel kleinerer Zahl) Ladungsträger mit jeweils entgegengesetztem Vorzeichen enthält ("Minoritätsträger"). Für diese wirkt die jeweilige Sperrichtung als Durchlassrichtung.

Abb. 20. Eine pn-Verbindung mit angelegter Durchlassspannung Eine pn-Verbindung mit angelegter Durchlassspannung
Abb. 21. Eine pn-Verbindung mit angelegter Sperrspannung Eine pn-Verbindung mit angelegter Sperrspannung

Zu beachten ist die Temperaturabhängigkeit des Sperrstroms; die Zufuhr von Wärme macht naemlich weitere Minoritätsträger in den Halbleiterkristallen frei, was zu einer Erhöhung der Leitfaehigkeit führt; der Sperrstrom waechst (annaehernd exponentiell) mit zunehmender Temperatur, was wir in späteren Versuchen noch nachweisen werden. Auch die geschilderte Gleichrichterwirkung erhalten wir in den Experimenten vorgeführt.

Die Spitzendioden sind die Nachfolger der seit langem bekannten Kristalldetektoren, die prinzipiell denselben Aufbau wie die modernen Spitzen-Halbleiterdioden haben. Bei den Kristalldetektoren musste man allerdings die Spitze immer wieder nachstellen, um eine gute Gleichrichterwirkung zu erhalten. Bei den modernen Halbleiterdioden, deren Herstellung auf grundlegenden wissenschaftlichen Erkenntnissen beruht, ist das nicht mehr nötig.

An Stelle von Germanium verwendet man in letzter Zeit immer häufiger Silizium und kommt so zu den prinzipiell ebenso aufgebauten Silizium-Spitzen- und Flaechendioden. Die temperaturabhängigen Sperrströme sind bei diesen so klein, daß sie kaum ins Gewicht fallen. Allerdings benötigen sie zur Erzielung eines bestimmten Durchlassstromes größere Durchlassspannungen. Wir werden auch die Eigenschaften einer Siliziumdiode untersuchen, was mit dem im Experimentierkasten enthaltenen npn-Siliziumtransistor möglich ist; wir können diesen naemlich bei entsprechender Schaltung auch als Siliziumdiode verwenden. Dieser Transistor erlaubt ferner die Demonstration der Wirkungsweise einer sehr neuzeitlichen und wichtigen Diode, der Z- oder Zenerdiode.

2. Halbleiterdioden in allen Schattierungen

Ausser der Zenerdiode gibt es sehr viele Spezialdioden, die teilweise erhebliche Bedeutung erlangt haben bzw. noch erlangen werden. Da ist zunaechst die Vierschichtdiode, die man durch einfaches Anlegen verschieden großer Steuerspannungen sehr schnell vom hochohmigen in den niederohmigen Zustand und umgekehrt steuern kann. Erfolgt diese Steuerung durch eine zusaetzliche Steuerelektrode, so haben wir einen "Thyristor" vor uns, der zur Zeit die ganze Starkstromtechnik revolutioniert. Dann gibt es die Tunneldiode, die aufgrund sehr komplizierter physikalischer Vorgaenge streckenweise eine fallende Strom-Spannungskennlinie aufweist, die sie zur Verstärkung und Schwingungserzeugung befaehigt. Sie ermöglicht den Bau besonders rauscharmer Verstarker für hoechste Frequenzen und spielt heute bereits eine große Rolle in der Raumfahrtelektronik. Unter einer "Backward-Diode" versteht man ein System, das inder Durchlassrichtung praktisch keine "Schwellenspannung" mehr besitzt und sich daher sehr gut zur Gleichrichtung kleinster Wechselspannungen eignet. Eine "Speicher- oder snap-in-Diode" entsteht, wenn man bei der Herstellung ein Prinzip anwendet, das die Diode befaehigt, nach einer gewissen Speicherzeit für die Ladungsträger in extrem kurzer Zeit (etwa 1 ns!) vom hochohmigen in den niederohmigen Zustand und umgekehrt zu kippen. Das befruchtet z. B. die digitale Rechentechnik sehr weitgehend.

Hoch entwickelt sind die Kapazitäts- oder Reaktanzdioden, bei denen die Sperrschichtkapazität einer Silizium-pn-Strecke durch eine von aussen angelegte Spannung beeinflusst werden kann. Das eroeffnet Anwendungen bei der automatischen Abstimmung, der Frequenzmodulation und der Schwingkreisabstimmung durch Gleichspannungen. Die "Varactoren" sind so gebaut, daß sie sich besonders für Zwecke der Frequenzvervielfachung eignen. Damit kommt man heute schon in der Transistortechnik zu Frequenzen bis 6 GHz! Etwas ganz Besonderes sind die Laser-Diode aus Galliumarsenid, deren pn-Schicht unter dem Einfluss von Spannung Licht aussenden kann, die Gunn-Diode, die LSA-Diode usw.

Warum erzaehlen wir das alles? Weil es uns möglich ist, viele dieser Dioden in einem der Elektronik gewidmeten Ergaenzungskasten XR in ihrem praktischen Verhalten durch Kombination verschiedener Transistoren, wie sie unser Kasten jetzt schon enthält, experimentell zu zeigen. Hat man einmal praktische Tuchfühlung mit diesen Systemen, so wird man schnell mit Ihnen vertraut, und das ist deshalb sehr wichtig, weil die Bedeutung der Halbleiter-Diodentechnik heute schon die Bedeutung der Transistoren auf gewissen Gebieten überfluegelt hat. Wer sich mit den vielen Sonderformen von Dioden auskennt, wird später einmal ein begehrter Spezialist auf einem der zukunftstraechtigsten elektronischen Sondergebiete sein. Unser Experimentierprogramm weist ihm Mittel und Wege zu diesem Ziel.

3. Dioden sind auch lichtempfindlich

Abschliessend sei noch auf eine weitere, wichtige Eigenschaft der Halbleiterdioden hingewiesen, naemlich auf ihre Lichtempfindlichkeit. Wir hörten bereits, daß durch Zufuhr von Energie im Kristall neue Ladungsträger frei werden. Die Energiezufuhr kann nicht nur durch Erwärmung erfolgen, sondern auch durch Lichteinstrahlung, vorzugsweise an der Übergangsstelle zwischen den Kristallen, also an der Sperrschicht. Das Freiwerden neuer Minoritätsträger macht sich in einer wesentlichen Erhöhung des Sperrstromes bemerkbar, und man hat mit Spezialausführungen, den später naeher eroerterten Photodioden, Bauteile in der Hand, die innerhalb gewisser Grenzen die sonstigen bekannten lichtelektrischen Elemente zu ersetzen vermögen. Andererseits ist die Lichtempfindlichkeit für Anwendungen abseits der Photoelektronik unerwuenscht. Deshalb baut man die Dioden heute so, daß sie gegenüber Lichtstrahlen praktisch unempfindlich sind.