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Telekosmos-Praktikum

Teil 1

• Title
• Heinz Richter
• Inhaltsverzeichnis
• Wichtige Hinweise
• Auswahl von Geräten
• Einleitung

A. Wir richten unser Experimentierlabor ein
B. Elektrotechnik, in Versuchen erlebt
C. Mit Halbleiterdioden auf du und du
D. Mit dem Transistor ist alles zu machen
Schlusswort
Anhang
I. Anwelsung zum Aufbau
II. Anleitung zum Prüfen und Reparieren von Einzelteilen

• Versuchsverzeichnis
• Stichwortverzeichnis
• Accessories
• Norm-Schaltzeichen nach DIN


4. Wir meßen Sperrströme

Im idealen Fall sollte ein in Sperrichtung gepolter Transistor überhaupt keinen Strom fliessen lassen. Dass das trotzdem der Fall ist, verdanken wir letzten Endes dem Vorhandensein zweier verschiedener Ladungstrager in den Sperrschichten, worauf wir schon auf Seite 34 hingewiesen haben.

Es gibt Elektronen und Defektelektronen. Je nach Beschaffenheit des Halbieitermaterials (n oder p) spieien entweder die Defektelektronen oder die Elektronen eine Hauptrolle. Man spricht (s. Seite 34) von Majoritätsträgern. Infolge nie ganz zu vermeidender Unvollkomnoenheiten in dem betreffenden Halbleitermaterial sind daneben aber immer noch (in allerdings äusserst geringer Zahl) Ladungsträger der anderen Sorte, in diesem Fall Minoritätsträger, vorhanden. Werden nun die Majoritätsträger infolge einer entsprechenden Polung van der Sperrschicht nicht durchgelassen, so bedeutet diese Polung für die Minoritätsträger die Durchlassrichtung. Sie können dann die Sperrschicht ohne weiteres passieren und machen sich als "Sperrstrom" bemerkbar, der nur wenig van der angelegten Sperrspannung abhängt; da naemlich nur wenig Minoritätsträger vorhanden sind, kann auch eine höhere Sperrspannung nicht mehr und dam it auch keinen größeren Sperrstrom hervorzaubern. Unangenehm ist nur, daß die Zahl dieser Minoritätsträger mit wachsender Temperatur stark ansteigt. Die Sperrströme sind es also, die für die leidige Temperaturabhängigkeit der Transistordaten in erster Linie verantwortlich sind.

Drei Grundschaltungen (a, b, c) zur Messung van Sperrströmen
Abb. 54. Drei Grundschaltungen (a, b, c) zur Messung van Sperrströmen

Aufbauzeichnung zu Abb. 54 a
Abb. 55. Aufbauzeichnung zu Abb. 54 a

Aufbauzeichnung zu Abb. 54 b
Abb. 56. Aufbauzeichnung zu Abb. 54 b

Leider spielen die Sperrströme trotz ihrer geringen Größe in der Transistortechnik eine erhebliche Rolle, weil sie bei höheren Temperaturen unangenehme Erscheinungen verursachen können. Man kann sagen, daß sich der Sperrstrom (bei Germanium) mit jeweils 10°C Temperaturerhöhung ungefaehr verdoppelt. Man unterscheidet zwischen drei verschiedenen Sperrstromarten, deren Messung 1) in den Figuren a, b und c von Abb. 54 (Aufbau Abb. 55, 56 und 57) angegeben ist. In Fig. a ist der meist mit ICBO angegebene Collectorreststrom bei offenem Emitter meßbar, in Fig. b der Collectorreststrom ICEO bei offener Basis und in Fig. c der Collectorreststrom ICK bei Kurzschluss zwischen Basis und Emitter. Der Reststrom nach Fig. a ist me istens so klein, daß wir ihn kaum mit dem 50-µA-Bereich des Ultron meßen können. Dagegen ist der Reststrom nach Fig. b wesentlich stärker (2,5mA-Meßbereich benutzen!) Der Reststrom nach Fig. c ist (bei Verwendung unseres KleinLeistungstransistors) mit dem 50-µA-Bereich ebenfalls gut meßbar. Wir können die Schaltungen leicht aufbauen und uns so von der Größe der Restströme ein gutes Bild machen.

1) Für die folgenden Versuche sollte man nicht das Galvanometer, sondern ein richtiges Messinstrument (z. B. Ultron) verwenden, da bei einer evtl. möglichen thermischen Aufschaukelung das Galvanometer zu träge reaglert! Thermische Sicherheit ist aber bei Verwendung der Meßbereiche 2,5 mA und 50 µA des Ultron gegeben.

Auch die Temperaturabhängigkeit können wir mit der Schaltung nach Abb. 54 b deutlich sehen, wenn wir während der Messung den Transistor zwischen den warm en Fingern halten. Der Sperrstrom wird merklich ansteigen. Die Versuche müssen mit dem Leistungstransistor mit Kuehlschelle durchgeführt werden, denn nur bei diesem Germaniumtransistor können die Sperrströme mit den uns zur Verfuegung stehenden Mitteln nachgewiesen werden; die Sperrstrome des Siliziumtransistors sind so gering, daß man dafür Spezialinstrumente haben müsste.

Die Sperrströme addieren sich grundsaetzlich zu den normalen Collectorströmen in den verschiedenen Transistorschaltungen, was sich aus den frueher angegebenen Gleichungen ergibt. Sperrströme sind stets eine leidige Sache, aber sie lassen sich nie vermeiden. Ihre Auswirkung allerdings können wir schaltungstechnisch weitgehend unterdrücken.

Abschliessend zeigt Abb. 58 noch eine Schaltung zur Bestimmung des Stromverstärkungsfaktors B in Emitterschaltung. Mit dem Ultron kann man B nach Abb. 59 auch selbst ermitteln. Welche Spannungen an die einzelnen Elektroden bei Messung von pnp- bzw. npn-Transistoren anzulegen sind, ist in der Schaltung eingetragen. Die Spannungsdifferenz zwischen Emitter und Basis ist stets 3 V, der Basisvorwiderstand 100 kΩ, woraus sich ein konstanter Basisstrom von 30 µA errechnet. Gemeßen wird der Collectorstrom mit dem Ultron. Die Stromverstärkung B bekommen wir (unter Vernachläßigung des Reststromes) durch Division des am Instrument abgelesenen Collector-

Aufbauzeichnung zu Abb. 54 c
Abb. 57. Aufbauzeichnung zu Abb. 54 c

Meßschaltung zur Bestimmung des Stromverstärkungsfaktors in Emitterschaltung
Argeschriebene Werte und Polaritäten getten für pnp- Transistoren; bei Verwendung von npn-Transistaren gelten eingeklammerte Daten.

Abb. 58. Meßschaltung zur Bestimmung des Stromverstärkungsfaktors in Emitterschaltung

Aufbauzeichnung zu Abb. 58
Abb. 59. Aufbauzeichnung zu Abb. 58

stromes durch den Basisstrom von 30 µA. In der Emitterleitung liegt ein Schutzwiderstand R1, der mit einer offenen Taste überbrückt ist. Er soll die schon frueher erwähnte thermische Aufschauke- lung verhindern. Nur bei der Ablesung des Collectorstromes drücken wir ganz kurz die Taste. Anschliessend lassen wir die Taste sofort wieder los, damit dem Transistor nichts passieren kann. Ein kleines Beispiel: abgelesener Collectorstrom 6 mA, Stromverstärkung: 6 : 0,03 = 200. Das ist die sogenannte Gleichstrom-Verstärkung, die Wechselstrom-Verstärkung Β können wir mit einfachen Mitteln nicht meßen. Sie ergibt sich aus dem Verhältnis des Collectorwechselstrames zum Basiswechselstrom bei einer Steuerung des Transistors mit Wechselspannung. B und Β sind bei den meisten Transistoren einander proportional, zahlenmaessig jedoch nur annaehernd gleich. Der Wert Β bestimmt z. B. die in NF-Verstärkern erzielbare Wechselstromverstärkung. Wenn wir npn-Transistoren meß en wollen, müssen wir die Anschlüsse an die in Klammern stehenden Spannungen anschliessen. Es gelten dann die gestrichelten Pfeile. Übrigens können wir feststellen, daß sich die Messwerte ändern, wenn wir S5 und S6 eine Zeit lang eingeschaltet lassen, da sich der Transistor dann erwärmt.

5. Stromsteuerung und Spannungssteuerung, zwei wichtige Begriffe

Wir haben bisher nur von den Ausgangskennlinien der Transistoren gesprochen. Es gibt auch Eingangskennlinien, die den Zusammenhang zwischen Emitterstrom und Emitterspannung in der Basisschaltung bzw. Basisspannung und Basisstrom in der Emitterschaltung wiedergeben. Diese Kennlinien verlaufen ungefaehr so wie die einer gewoehnlichen Diode, etwa nach Abb. 31. Die Größe der Ausgangsspannung im Collectorkreis hat nur wenig Einfluss auf den Kennliniencharakter, so daß wir diesen vernachläßigen wollen. Wichtig für uns ist die Kruemmung dieser Eingangskennlinien. Sie hat für die praktische Schaltungstechnik einige wichtige Konsequenzen, die kurz eroertert sein sollen.

Betrachten wir die am meisten vorkommende Emitterschaltung und stellen wir uns vor, daß zwischen Basis und Emitter ein Wechselspannungs-Generator gelegt wird, dessen Innenwiderstand sehr klein gegenüber dem Eingangswiderstand des Transistors ist. Dann prägt sich die Generatorspannung dem Transistor-Eingangswiderstand unverändert auf; die Folge davon ist ein durch die Kruemmung der Eingangskennlinie bedingter verzerrter Basisstrom. Setzt man einen konstanten Stramverstärkungsfaktor voraus, so ist der Verlauf des Basisstroms dem des Collectorstromes proportional. Infolgedessen ist auch der Collectorstrom verzerrt. Das ist eine unangenehme Eigenschaft der soeben besprochenen "Spannungssteuerung", bei der die Generatorspannung dem Transistoreingang aufgezwungen wird. Verwenden wir hingegen einen Generator, dessen Innenwiderstand gross gegenüber dem Eingangswiderstand des Transistors ist, so entsteht ein Basisstrom, der vorzugsweise durch den Generator-Innenwiderstand bestimmt wird. Ist die Generator-EMK unverzerrt, so werden es demnach auch der Basisstrom und damit der Collectorstrom sein. Diesen Fall nennt man Stromsteuerung; er wird angewendet, wenn es auf eine besonders verzerrungsfreie Übertragung des betreffenden Wechselstromsignals ankommt. Mitunter vergrößert man sogar den Innenwiderstand des Steuergenerators kuenstlich, um die Verzerrungen so klein wie möglich zu halten. Wir müssen uebrigens beachten, dass bei Stromsteuerung zwischen Basis und Emitter eine ebenfalls durch die Kennlinienform bedingte Verzerrung der Basis-Emitterspannung auftritt. Das ist jedoch belanglos, da es uns auf die Form des Collectorstrames ankommt, die bei Stromsteuerung nur sehr geringe Verzerrungen aufweist.

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Wer sich bis hierher durch unser Buch durchgearbeitet hat, wird schon mancherlei van dem Verhalten des Transistors verstehen. Wir könnten nur das Allerwichtigste bringen und mussten viele an sich interessante Tatsachen außer acht lassen. Wer sich naeher dafür interessiert, sei auf die umfangreiche Transistorliteratur, insbesondere das Werk "Transistor-Praxis", verwiesen.

Zugegeben - unsere Ausführungen waren bis jetzt etwas trocken. Nun aber wird es wesentlich interessanter, denn wir wollen in den folgenden Abschnitten sehen, was man mit Transistoren in der Praxis alles machen kann.