Ferdinand Bernauer, Die Phosphorite des Lias von Deutsch-Lothringen. Prev | Next

Die Phosphorite

des Lias von Deutsch-Lothringen

Von Herrn Ferdinand Bernauer in Berlin

Inhalt.

Vorwort
Einleitung
A. Die phosphoritführenden Juraschichten Lothringens
B. Beschreibung der beiden Hauptlager
I. Die Phosphorite an der Grenze zwischen Lias α und β
a) Fundorte, Verbreitung
b) Einzelprofile und deren Zusammenfassung
c) Beziehungen zwischen der Ausbildung des Gryphitenkalkes und des Phosphoritlagers
d) Mineralogische Beschreibung der Phosphoritknollen. Dünnschliffe. Chemische Verhältnisse. Verwitterung
e) Tier- und Pflanzenreste und ihre Bedeutung für die Beurteilung der Facies
f) Beurteilung der Meeresverhältnisse nach der Gesteinsbildung. Vergleich mit Nachbargebieten
II. Die Phosphorite des oberen Lias
a) Verbreitung

b) Profile
c) Arten des Phosphorits (Knollen, Fossilien, Oolith, Sillterüberzüge)
Chemische Verhältnisse
d) Fauna
e) Erhaltungszustand der Fossilien und die daraus zu ziehenden Schlüsse
f) Vergleich mit den benachbarten Juragebieten
C. Die Bildungsweise des Phosphorits
a) Phosphorit in Konglomeraten
b) Entstehung solcher Konglomerate
c) Vergleich mit den Verhåltnissen des untersuchten Gebietes
d) Herkunft der Phosphorsåure. Ihr Vorkommen in der Natur
e) Chemische Vorgånge bei der Bildung von Phosphorit
f) Bildungsgeschichte unserer beiden Phosphoritlager
Literatur-Verzeichnis



Gesteinsausbildung. Vergleich mit der weiteren Umgebung.

Der gesamte Gryphitenkalk Lothringens zeigt den bekannten Wechsel von handbreiten Kalk- und etwas stärkeren Schiefermorgellagen. Sei nun dieser Wechsel auf periodische Heilungen und Senkungen (BRANDES, 18), auf Schwankungen zwischen trockenen und regenreichen Zeiten (POMPECKJ, 104, 28) oder hoher und niederer Temperatur und die dadurch bedingte verschiedene Entwicklung der gesteinsbildenden Lebewesen zurückzuführen - in allen Fällen können sich derartige Veränderungen nur in den Absätzen des Flachwassers geltend machen. Ganz allgemein ist der Gryphitenkalk in Süddeutschland als solche Bildung aufzufassen. Darauf deuten die vielfachen küstennahen Sandeinlagerungen (Hettinger Sandstein, Arietenkalksandstein von Ellwangen, schwäbischer Angulatensandstein), das rasche An- und Abschwellen besonders der unteren Schichten, das Vorkommen gerollter, angebohrter Knollen (45, 214; 47), endlich die Einlage rung von Eisenoolith (Göppingen).

Gegen das Ende der Gryphiteiikalkzeit wird in unserem Gebiet das Meer immer flacher. Es treten gleichzeitig Schwämme und Algen reichlicher auf.

Die oberste der kompakten Kalkbänke zeigt Wellenfurchen und Fließrinnen; sie ist stellenweise deutlich abgewaschen, so daß härtere Partieen - Schwämme - als Höcker hervorragen. Meist ist sie von Bohrlöchern durchzogen, stellenweise von Austern bewachsen. Im Innern mithält sie einzelne Phosphoritknollen, phosphoritische Muschelsteinkerne und Schwämme. Nach dem bisher geltenden Gesetz müßte nun wieder eine Mergelschicht folgen. Statt dessen folgt eine Trürnmerzone, massenhaft liegen zerbrochene Schalen im Ton eingebettet. Offenbar war die Wasserbewegung so kräftig, daß von dem während, der eben einsetzenden »Mergelperiode« herbeigesehweinmtcn bezw. ausgefällten Material nur die groben Trümmer liegen blieben; der Schlamm aber wurde ausgespült, zugleich auch die darunter liegende Bank abgewaschen und Teile davon aufgearbeitet. Die darauf lebenden Seelilien werden vernichtet, ihre Trümmer zu kleinen Nestern zusammengeschwemmt (Grinoidenlinsen); dafür siedeln sich röhrenbewohnende Würmer und Bohrmuscheln massenhaft an, da sie im Innern der halbverfestigten Kalkbank gegen die Wellen

Jahrbuch 1919, I, 1.

geschützt sind. Nun folgt in raschem Übergang, nur stellenweise noch durch dünne Kalkbänkchen abgetrennt; die phosphoritreiche Tonschicht. Die Phosphoritknollen sind z. T. als Gerölle erkennbar, z. T. aber, sicher an Ort und Stelle entstanden oder wenigstens größer geworden, da die aufsitzenden Schmarotzer ihrerseits wieder randlich von Phosphorit überwuchert sind.

Jetzt tritt ein plötzlicher Wechsel ein. Mächtige Tonschichten überdecken alles und ersticken vollends das reiche Leben der Acutusschichten.

Tonige Absätze finden wir in der Gegenwart sowohl an den flachen Wattenküsten wie auf dem Schelf und an den Kontinentalabhängen. Gegen eine Annahme wie die erste spricht in unserem Falle die große Gleichmäßigkeit der Bildung auf weite Strecken. Der β-Ton ist »die erste gleichartige Bildung« im süddeutschen Lias (35, S. 344). Nur am Ardennenufer finden wir sandige Schichten; in Französisch-Lothringen, im Elsaß, Kraichgau, Breisgau, im Schweizer Jura bis zur Aargauer Insel, in Schwaben - überall herrscht derselbe »fossilarme Ton.« Er ist nicht nur petrographisch, sondern auch nach seiner Mächtigkeit recht gleichmäßig (Lothringen und Elsaß 25 m, Langenbrückener Senke 30 m, Balingen 25-30 m), nur gegen die Aargauer Insel im Süden und nach Franken hin nimmt er stark ab. Küstennähe müßte sich wenigstens stellenweise (Flußmündungen!) durch Wechsel der Gesteinsbeschaffenheit und der Mächtigkeit erkennen lassen. Das ist in unserem engeren Gebiet nirgends der Fall. Wir müssen also zu Beginn der β-zeit einen »positiven Meereswandel«1) annehmen. Für Schwaben kommt ISSLER (78) zu demselben Schluß auf Grund der Foraminiferenfauna. ERNST FISCHER schätzt die Tiefe des schwäbischen β-Meeres auf 150 m gegenüber den 50 m der Arietenzeit. Daß auch in Lothringen noch kein sehr tiefes Wasser erreicht ist, zeigen ebenso wie dort die dickschaligen Gryphaeen (Gr. obliqua GOLDF.); ferner spricht dafür der Sandgehalt des Tons, der für Kontinentalschlamm

1) WALTHER, 124, S. 182.

bezeichnend ist, den Tiefseesedimenten aber meist fehlt; endlich die bedeutende Mächtigkeit der Schicht, da die Tiefsee sehr wenig absetzt. Es ist demnach keine länderüberflutende Transgression, sondern nur eine »Oscillation« (SUESS) eingetreten. Aber die Veränderung genügt, um die bisherige Fauna zu vernichten; die Tierwelt des β-Tons ist im Vergleich zur bisherigen sehr ärmlich.

Wir werden später bei sehr vielen Phosphoritvorkommen ähnliche Veränderungen annehmen müssen; offenbar steht die Bildung dieses Minerals mit diesen Bewegungen im Zusammen hang. Vor einem Eingehen auf diese Frage soll erst das zweite wichtige Lothringer Phosphoritlager, die »Crassusschicht«, besprochen werden.